Samstag 25. Mai 2024, 19.00 Uhr
im Sommerrefektorium
”Mandora – Liebliche Klänge im Kloster”
Die Laute war ein Instrument des Adels, die Gitarre das typische Instrument des Bürgertums. Dazwischen feierte die Mandora einige Jahrzehnte lang ein reges und aufregendes Leben. Vor allem in Klöstern schätzte man ihren zarten und gleichzeitig sonoren Klang. Es finden sich unzählige Kompositionen in abwechslungsreichen Besetzungen, die allesamt ihrer Wiederentdeckung entgegenfiebern. Jakub Mitrik ist weltweit der erste Spezialist für dieses Wunderinstrument!
Jakub Mitrik – Mandora
und
das Biber-Consort:
Daria Spiridonova & Weronika Zimnoch – Violine,
Giulio Sanna – Violoncello
Radka Kubínová – Traversflöte
PROGRAMM
Kammermusik mit Mandora aus Stift Kremsmünster
Anonymus (1. Hälfte 18. Jhdt.)
Parthia A-Dur für Violine, Mandora & Violoncello
Sinfonia, Andante, Menuet-Trio-Menuet, Capriccio
Anonymus (2. Hälfte 18. Jhdt.)
Suite C-Dur für Mandora Solo
Symphonia: Adagio, Menuet, Allegretto, Menuet, Andante
Anonymus (1. Hälfte 18. Jhdt.)
Parthia D-Dur für Flute traversiere, Violine, Mandora & Basso
Aria: Andante, Menuet-Trio-Menuet, Guiga
***
Anonymus (1. Hälfte 18. Jhdt.)
Parthia D-Dur für Flute traversiere, Mandora & Violoncello
Introduzione, Menuet - Trio- Menuet, Finale
Georg Philipp Telemann (1681 - 1767)
Fantasie XII a-moll per il Violino senza Basso
Moderato, Vivace, Presto
Anonymus (2. Hälfte 18. Jhdt.)
Parthia A-Dur für Violine 1mo, 2ndo, Mandora & Basso
Intrada, Ballo, Menuet, Fantasia, Capriccio
Mandora: Liebliche Klänge Im Kloster
Fast wäre ihr warmer, grundtöniger Klang im silberhellen Konzert der Wiederentdeckung unzähliger historischer Zupfinstrumente überhört worden!
Erst in den letzten Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde ein bislang unerkanntes Mitglied aus der großen Familie der Lauteninstrumente wiederentdeckt: Die Mandora.
Dabei hatte das Alt-Instrument aus der Familie der Pandoren bereits eine lange Geschichte erlebt und machte sich endlich, zu Beginn des 18. Jahrhunderts, auf den Weg, der aristokratischen Laute zunehmend ihren Ruf als stille Seelentrösterin streitig zu machen.
Diese war im Lauf ihrer Entwicklung an einem Wendepunkt angelangt, ab dem sie in den kundigen Händen einiger, weniger Virtuosen ihrem sicheren Niedergang zustrebte.
Dies traf jedoch nicht auf die Mandora zu!
In weit über 100 erhaltenen Manuskripten aus dem böhmischen, österreichischen und süddeutschen Raum, die annähernd 1400 Kompositionen für das Instrument bereit halten, wurde sie ab den 1740er Jahren des 18. Jahrhunderts zum beherrschenden Mitglied ihrer Familie, ja zur „Laute“ schlechthin.
Im Jahr 1700 begegnet sie uns aus der Grazer Geigenmacher-Werkstatt von Johann Sagmayr erstmalig als Instrument in ihrer neuen Form mit Lautenkorpus, aber mit viel weniger Saiten bespannt als ihre große Schwester, die durch ihre beständigen Erweiterungen zunehmend anspruchsvoller in der extrem aufwändigen Herstellung und der daraus sich ergebenden Handhabung geworden war.
Die Mandora empfahl sich dagegen als willkommene Begleiterin zum Gesang und als charmante Partnerin bei einer gerade entstehenden galanten Kammermusik zum eigenen Zeitvertreib.
Sie wurde damit zum gern gesehenen Gast in den Häusern des aufstrebenden Bürgertums und fand sogar einige Liebhaber in der Stille klösterlicher Einkehr.
In den, der monastischen Musikausübung sehr zugewandten, Konvent des Benediktinerstifts Kremsmünster mit seiner damals bereits über 200 jährigen Tradition des Lautenspiels, gelangte sie im Jahr 1736 als „extra guette Lautten im Fuetteral, Authore Daniel Achatius Stadlmann“ im Gefolge des ehemaligen Präfekten des Weinbaus aus Stift Klosterneuburg, Pater Severin Reichhueber.
Das 9-chörige Meisterinstrument aus der Werkstatt eines der damals führenden Geigenmacher Wiens ist eines der ausgewiesenen Prunkstücke in der reichen Lautensammlung von Kremsmünster.
Sie ist bis zum heutigen Tag spielbar und vermittelt uns einen lebhaften Eindruck gewandelter musikalischer Klangkultur aus einer lange vergangenen Zeit.
In den Tagen des Salzburg-stämmigen Regens Chori Rupert Langpartner dürften schließlich ab 1756 zwei umfangreiche Mandora-Kammermusik-Sammlungen in das Notenarchiv von Kremsmünster gelangt sein, die wohl ursprünglich in Salzburg unter Fürstbischof Franz Anton von Harrach, bereits in den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts angelegt wurden. Sie enthalten mit mehr als 80 in „Partiten“ geordneten Zyklen ein reichhaltiges Portofolio unterschiedlicher Besetzungen in Galanteriesätzen für den entdeckungsfreudigen Mandoraspieler bereit und geben den Blick in eine weite und unbekannte Landschaft häuslichen Musizierens aus einer Zeit großer musikalischer und gesellschaftlicher Umbrüche frei.
Aus diesen, bislang wenig beachteten (und bis heute unpublizierten) Manuskripten stammt die Musik des heutigen Konzertprogramms, die Jakub Mitrík und sein Ensemble erstmalig, nach 300 jährigem Dornröschenschlaf wieder zum Klingen bringen werden.
Es ist eine Musik „zwischen den Zeiten“, inspiriert von der Tradition des aristokratischen „Lauten-Concerts“ am Wiener Kaiserhof einerseits und andererseits in die Zukunft einer hoch stehenden Kammermusikpflege aus den Tagen Maria Theresias weisend, aus der sich endlich das Streichquartett entwickeln konnte.
Dabei bedient sie sich eines galanten Tonfalles im unterhaltenden „leichten Wiener Plauderton“ und spart nicht mit dem Zauber eines bis dahin unerhörten Klangfarbenreichtums, der bereits die später instrumentierte Vielfalt der Kammermusik in den Kompositionen eines Michael und Joseph Haydn ahnen lässt.
Die wenigen in den Manuskripten genannten Komponisten weisen überwiegend in den süddeutschen Raum. Da sich jedoch die meisten der gesammelten Partiten der Angabe ihres Urhebers enthalten und zudem einen deutlich unterscheidbaren musikalischen Dialekt verwenden, dürfte ihre Herkunft großteils aus den zentralösterreichischen und böhmischen Landen sein. Gewisse Gemeinsamkeiten der anzutreffenden musikalischen Setzkunst mit dem ebenfalls aus Harrach-Beständen stammenden Codex M III/25 aus der Salzburger Universitätsbibliothek (von teilweise denselben Notenkopisten geschrieben) sind dabei offensichtlich.
Es blieb Johann Georg Albrechtsberger vorbehalten, anlässlich der Durchreisen des Kaiserpaares 1769 und 1771 im Stift Melk der Gattung Mandora-Kammermusik mit seinen fünf erhaltenen „Concerti per Trombula (Maultrommel) e Mandora“ die bis heute einem breiteren Publikum bekannten, repräsentativen Werke der als exotisch betrachteten und hoch geschätzten „Galanterie-Piecen“ geschaffen zu haben.
Als der 19 jährige Franz Schubert im Jahr 1816 das Gedicht von Friedrich Wilhelm Rochlitz „An die Laute“ mit einer dem typischen Mandoren-Repertoire entnommenen Arpeggio-Begleitung im Klaviersatz versah, muss er wohl an das lange verklungene Instrument gedacht haben, das in der Erinnerung der Wiener noch lange lebendig blieb, obwohl es von der „moderneren“ Gitarre mit ihrer noch leichteren Spielbarkeit und ihrem sonoren Klangcharakter schon lange verdrängt worden war.
Hubert Hoffmann
Fotocredit: Simona Babjaková
Künstlerbiografien
Jakub Mitrík kommt aus der Slowakei. Nach dem Studium der klassischer Gitarre in Bratislava bei Jozef Zsapka und Martin Krajčo hat er sich auf das Spiel historischer Instrumente fokussiert. Auf Theorbe / Chitarrone, Barock- und Renaissancelaute, Barockgitarre und Erzlaute und zuletzt auf der Mandora musiziert er mit Begeisterung und großem Erfolg. Studien bei Jan Čižmář in Brno, bei Paul O‘dette und Joachim Held in Bremen erweiterten seinen musikalischen Horizont. Jakub spielt auch die achtseitige romantische Gitarre und forscht über Musik aus Wien und Umgebung im 19. Jahrhundert. Als Continuo-Spieler wirkt er in verschiedenen Ensembles wie Concentus musicus, Ars Antiqua Austria, Wiener Akademie, Bach Consort, Musica Aeterna, Solamente naturali usw. mit. Er ist künstlerischer Leiter des Ensembles Le nuove musiche.