Fiori Musicali 2007
Bach Privat VI
Johann Paul Westhoff (1696)
Suite VI A
Allemande, Courante, Sarabande, GigueJohann Joseph Vilsmayr (1715)
Artificiosus Concentus pro camera
Partia VI A Dur
Prelude, Aria, Saraband, Aria-Variatio, Menuett, Aria, Menuett, Aria, Guig-Echo, Aria variataGeorg Philip Telemann (1735)
Fantasie V A
Allegro,, Presto, Allegro, Presto, Andante, Allegro
Fantasie VIII E
Piacevolmente, Spirituoso, Allegro
PAUSE
Johann Sebastian Bach (1720)
Partia III E
Preludio, Loure, Gavotta en Rondeaux, Menuet I-Menuet II, Bouree, GigueGunar Letzbor, Violine
Back
Johann Paul Westhoff (1656-1705) war sicher einer der begabtesten Geiger
in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Neben Biber und Vilsmayr
war er einer der wenigen, die sich mit Skordatur und mehrstimmigen Spiel
auf der Geige eingehend auseinandersetzte.
In seiner Sammlung der Violinsolosonaten von 1696 verzichtet er sowohl auf
Skordatur , ausgiebiges Lagenspiel und bogentechnische Rafinessen sondern
konzentriert sich ausschließlich auf die äußersten Möglichkeiten
des mehrstimmigen und polyphonen Spiels. Er strafft die Suitenform auf seine
vier Kernsätze und gewinnt unter Verzicht auf selbstherrliches Virtuosentum
in einer neuartigen Schlichtheit eine Konzentration auf die wesentlichen
musikalischen Abläufe. Zur besseren Veranschaulichung der polyphonen
Struktur der Tanzsätze bedient Westhoff sich einer neuen selbsterfundenen
Notationsweise mit 8 Notenlinien und einer Kombination von Violin- und Altschlüssel.
Es scheint ihm wenig daran gelegen zu sein, dass diese für seine Zeit
einzigartigen Solosonaten Verbreitung gefunden hätten. Vielleicht wollte
er auch der einzige Geiger bleiben, dem das Kunststück des Solospiels
auf der Violine gelang.
Auch heute schrecken noch viele Geiger von der Aufführung dieser Meisterwerke
zurück. Zu hoch erscheint ihnen offenbar der intellektuelle und technische
Aufwand um Westhoffs Notation zum Klingen zu bringen. Leider bricht das
einzige Autograph in der Gigue der letzten Suite ab. Der Interpret ist dadurch
veranlasst, das Werk vorzeitig zu einem improvisierten Abschluss zu bringen.
Johann Joseph Vilsmayr (1663-1722) wirkte ab 1.September 1689 bis zu seinem
Tod am 11.Juli 1722 als Hofviolinist an der Salzburger Hofkapelle.
Er war erwiesenermaßen Schüler von H.I.F.Biber, dürfte sich
aber in der Folge selbständig weitergebildet haben. Die Steigerung
seiner Qualität als Geiger läßt sich einigermaßen
aus der Erhöhung seines Einkommens ermessen. Am Anfang seines Wirkens
als Hofgeiger mußte er sich mit 6 fl begnügen, dazu kam noch
ein Betrag für Brot und Wein. 1697 betrug sein monatliches Einkommen
als Ante-Camera-Kammerdiener bereits 25 fl. Eine Eintragung
im Stift Lambach bestätigt dem hochfürstlichen Musiker
Vilsmayr bei seiner Abreise ein Salär von 20fl..
In der British Library hat sich eine Sammlung Vilsmayrs mit dem Titel
ARTIFICIOSUS CONCENTUS PRO CAMERA, distributus in Sex Partes, seu Partias
à Violino Solo Con Basso bellè imitante (Salzburg 1715)
erhalten.
Der Titel Con Basso bellè imitante hat einiges zur Verwirrung
beigetragen.
Bis vor kurzem waren die Fachleute überzeugt, daß das Werk unvollständig
überliefert wurde. Erst zur Jahrtausendwende legte P.H.Nobes im Vorwort
zu einer Facsimileedition überzeugend dar, daß mit dem imitierenden
Baß auch die zweistimmige Stimmführung der Solovioline gemeint
sein könnte. Nach Durchsicht der Musik war alles sonnenklar. Man war
lange Zeit einer Fehlinterpretation des Titels aufgesessen!
Die sechs Partien haben eine durchschnittliche Länge von 15 Minuten.
Der Stil ist französisch mit starkem österreichischem Kolorit.
Virtuose Solopassagen erinnern an H.I.F.Biber. Die Melodiebildung greift
häufig auf Volksmusikgut zurück - ein weiteres Stilmerkmal der
österreichischen Barockmusik. Die mehrstimmige Schreibart erinnert
eher an Biber als an Corelli. Die Sonaten 2-5 verwenden verschiedene Skordaturen
der Violine - eine österreichische Eigenart.
Der Kompositionsstil Vilsmayers ist höchst abwechslungsreich. Farben
und Stimmungen finden sich im stetigen Wechsel, virtuoses Passagenwerk und
überraschende harmonische Wendungen stehen neben rhythmisch mitreißenden
Tanzsätzen.
In ihrer komplexen Qualität kann man von Vilsmayers Armonia Artificiosa
sicherlich behaupten, daß sie einen wichtigen Meilenstein auf dem
Weg zu den 6 Sonaten und Partiten von J.S.Bach darstellen. Eine aufregende
Neuentdeckung, deren Einfluß auf das Konzertleben nachhaltig sein
wird. Die Gesamtaufnahme der Sammlung durch den Geiger Gunar Letzbor erschien
2004 im CD- Label ARCANA.
Georg Philipp Telemann (1681-1767) der weitunterschätzte
Vielschreiber warb 1735 großflächig für die in seinem eigenen
Verlag erscheinenden 12 Fantasien für die Violine ohne Bass. Er hatte
diese Kompositionen schon Jahre vorher angekündigt als Werke, die so
nach und nach herausgegeben werden können.
Ein herauszuhebendes Charakteristikum von Fantasien ist laut Johann Mattheson
eine gewisse kompositorische Freiheit, die Ungebundenheit an formale Normen
und der Eindruck des improvisierenden Spiels: Ob nun gleich diese alle das
Ansehen haben wollen, als spielte man sie aus dem Stehgreife daher, so werden
sie doch mehrentheils ordentlich zu Papier gebracht; halten aber so wenig
Schranken und Ordnung, daß man sie schwerlich mit einem andern allgemeinen
Nahmen, als gute Einfälle belegen kann.
In den Verkaufsanzeigen bezeichnet Telemann seinen Zyklus als 12 Fantasien
für die Violine ohne Bass, wovon 6 mit Fugen versehen, 6 aber Galnterien
sind.
So zeigt er seine Meiserschaft sowohl im älteren hochbarocken Stil
als auch im neuen hochmodernen galanten Musizieren. Die Stücke bestechen
durch heufigen Wechsel der Satzstruktur und Stimmführung., Motive,
Rhythmen, Intervallfolgen und melodische Bewegungen ändern sich mitunter
taktweise. Akkordbrechungen wechseln mit Skalen, Gravitätisches steht
neben Tänzerischem, einstimmiges Spiel neben mehrstimmigem, vollstimmige
Akkorde folgen bewegtem Passagenwerk. Telemanns Phantasien verlieren jedoch
nie den ordnenden Willen des phantasievollen Komponisten.
Sei Solo a Violino senza Basso accompagnato
Das Manuskript dieser Sammlung hat eine erstaunliche Überlieferungsgeschichte.
Nach Bachs Tod verliert sich die Spur dieser Sammlung rasch. Erst 1890 wird
das Werk von einem Antiquitätenhändler mit Namen Rosenthal zum
Kauf angeboten. Eusebius Mandyczewski, der Archivist der Wiener Musikfreunde
gab diese Angebot an J.Brahms weiter. Er hoffte damit, nach dessen
Ableben diese wertvolle Sammlung als Schenkung quasi zu beerben. Der Preis
des Manuskripts ( 2000 Mark) und die außergewohnliche Schönheit
dieser Sammlung machten Brahms allerdings skeptisch.
Ein weiterer Umstand ließ ihn davor zurückschrecken, den Prachtband
zu kaufen. Die solosonaten waren weder vom Bachforscher Spitta erwähnt
, noch in der Bachausgabe berücksichtigt worden. Noch dazu verweigerte
Spitta zunächst eine Stellungnahme nach der ersten Anfrage von Mandyczewski
nach seiner Meinung. So ließ Brahms diese außergewöhnliche
Chance verstreichen und hatte schließlich das Nachsehen. Wilhelm Rust,
einer der Direktoren der Bachausgabe hatte den enormen Wert dieser Sammlung
erkannt und erwarb sie schlussendlich.
Es gleicht einem Geschenk Gottes, daß die Geiger nach dieser Zeit
zumindestens theoretisch auch die Möglichkeit besitzen, Bachs Meisterwerk
für Violino solo aus seiner ausdrucksstarken Hanschrift zu musizieren.
TOP