Dienstag 6. Mai 2008, 19.30 Uhr
Bach Privat II
Gunar Letzbor Violine
Sergej Tscherepanov Cembalo
Wir schreiben das Jahr 1703. Der achzehnjährige J.S.Bach spielt gerade einmal zwei Monate im Orchester am Weimarer Hof. Die Einladung zu einem gemeinsamen Musizieren mit dem hochverehrten Sekretär und Violinvirtuosen J.P.Westhoff trifft ihn wie ein Schlag. Vielleicht würde er bei dieser Gelegenheit endlich ein Solo dieses weltberühmten Geigers erlauschen können! Und wirklich, nach einer Kostprobe aus den Sonaten ohne Begleitung fordert Westhoff seinen jüngeren Kollegen auf, ihn freundlicherweise am Clavicembalo bei einer seiner Sonaten mit Basso continuo zu begleiten. Johann Sebastian ist von der musikalischen Sprache seines geigerischen Vorbilds höchst beeindruckt. Noch Jahre später erinnert er sich gerne an diesen denkwürdigen Augenblick.
Und ist sie nicht wahr, so ist sie doch gut erfunden!
PROGRAMM
Johann Paul Westhoff
Suite III B (1696) für Violine solo
Allemande-Courante-Sarabande-Gigue
Sonate VI g Moll (1694) für Violine und B.c.
Aria:Adagio-Allegro-Aria:Largo-Allegro-LargoJohann Sebastian Bach
Praeludium und Fuge in C und g
aus dem Wohltemperierten Klavier II
Pause
Johann Sebastian Bach
Sonata g BWV 1001 (1720) für Violine solo
Adagio-Fuga-Siciliana-Presto
Sonata VI BWV 1019 G Dur (1718-22)
für Violine und obligates Cembalo
Allegro, Largo, Allegro, Adagio, Allegro
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Gunar Letzbor
www.ars-antiqua-austria.com
Sergej Tcherepanov
JOHANN SEBASTIAN BACH
Sei Solo a Violino senza Basso accompagnato
Das Manuskript dieser Sammlung hat eine erstaunliche Überlieferungsgeschichte.
Nach Bachs Tod verliert sich die Spur dieser Sammlung rasch. Erst 1890 wird
das Werk von einem Antiquitätenhändler mit Namen Rosenthal zum
Kauf angeboten. Eusebius Mandyczewski, der Archivist der Wiener Musikfreunde
gab dieses Angebot an J.Brahms weiter. Er hoffte damit, nach dessen Ableben
die wertvolle Sammlung als Schenkung quasi zu beerben. Der Preis des Manuskripts
(2000 Mark) und die außergewöhnliche Schönheit dieser Sammlung
machten Brahms allerdings skeptisch.
Ein weiterer Umstand ließ ihn davor zurückschrecken, den Prachtband
zu kaufen. Die Solosonaten waren weder vom Bachforscher Spitta erwähnt,
noch in der Bachausgabe berücksichtigt worden. Noch dazu verweigerte
Spitta zunächst eine Stellungnahme nach der ersten Anfrage von Mandyczewski
nach seiner Meinung. So ließ Brahms diese außergewöhnliche
Chance verstreichen und hatte schließlich das Nachsehen. Wilhelm Rust,
einer der Direktoren der Bachausgabe hatte den enormen Wert dieser Sammlung
erkannt und erwarb sie schlussendlich.
Es gleicht einem Geschenk Gottes, dass die Geiger nach dieser Zeit zumindest
theoretisch auch die Möglichkeit besitzen, Bachs Meisterwerk für
Violino solo aus seiner ausdrucksstarken Handschrift zu musizieren.
Zu den sechs Sonaten für Violine und obligates Cembalo sagt J.N.Forkel
in seiner Bach Biographie: ...Die Violinstimme erfordert einen Meister.
Bach kannte die Möglichkeiten dieses Instrumentes und schonte es eben
so wenig, als er das Clavier schonte.
Wie bei anderen Werken durchlebten die sechs Sonaten während der Lebenszeit
des Meisters mehrere Umarbeitungen. Von einzelnen Sätzen der fünften
und sechsten Sonate gibt es mehrere Fassungen. Auch in die formale Struktur
( Anordnung der Sätze) greift Bach mehrmals persönlich ein. Heute
präsentiert man dem Publikum meistens die uns bekannte letzte Fassung
dieser Meisterwerke.
JOHANN PAUL von WESTHOFF
wurde in Dresden 1656 geboren. Sicherlich war er den geigerischen
Einflüssen von Carlo Farina unterworfen, der in der Stadt lange Zeit
wirkte und viele seiner Werke ebendort in Druck brachte. 1674 begegnen wir
Westhoff als Kammermusiker von Prinz Johann Georg II von Sachsen. 1679 flieht
er vor den Schweden nach Prag, tritt in die Armee ein und kämpft gegen
die Türken in Ungarn um 1680. Reisen nach Italien und Frankreich machten
ihn mit den höchsten Kreisen Europas bekannt. Nach einer Darbietung
vor Ludwig den XIV. gibt der Monarch einer Stelle in der A Dur Sonate den
Namen La Guerre.
1698 wurde Westhoff Sekretär und Kammermusiker am Hofe des Weimarer
Fürsten. 1703 kommt er mit J.S. Bach ebendort in Kontakt. Bach wirkte
sechs Monate als Musiker im Orchester Weimars. Westhoffs bewegtes Leben
nahm 1705 sein Ende.
Besonders die sechs Suiten für Violine solo verdienen Beachtung.
Es handelt sich dabei um die erste zyklische Sammlung für Violinmusik
ohne Begleitung. Meisterlich versteht es Westhoff, polyphone Strukturen
in das Spiel des Melodieinstrumentes einzufügen. Seine Doppelgriffanforderungen
übersteigen dabei weit das sonst zu seiner Zeit übliche Niveau.
Westhoffs mehrstimmiges Spiel wird beispielgebend für die großen
Sonaten und Partiten seines jüngeren Kollegen J.S.Bach.
SERGEJ TCHEREPANOV
In Nordkasachstan geboren, absolvierte sein Klavierstudium am Tschaikowsky-Konservatorium
Moskau bei Prof. Viktor Merzhanow, im Fach Orgel bei Natalia Gureewa.
Neben einer Zusammenarbeit in der historischen Aufführungspraxis am
Cembalo mit Alexei Lübimow wirkte er als Cembalist und Continuospiler
bei verschiedenen Ensembles mit.
In Deutschland führte Sergej Tcherepanov sein Orgelstudium fort, zunächst
bei Martin Haselböck in Lübeck, später bei Wolfgang Zerer
in Hamburg, wo er das Konzertexamen mit Auszeichnung bestand.
Er war Preisträger des Possehl-Musikpreises in Lübeck 1997
und Orgelwettbewerben in Südafrika und Deutschland. Weitere Studien
an historischen Orgeln bei Martin Böcker (Stade) und Prof. Harald Vogel.
2000-2003 war er Organist an der Arp-Schnitger-Orgel in Steinkirchen ( Altes
Land ).
Seit 2002 Sergej Tcherepanov als Lehrbeauftragter für Künstlerisches
Orgelspiel, Klavier- und Cembalobegleitung an der Musikhochschule Lübeck
tätig. Solistische Tätigkeit führte ihn zu Festivals und
Orgelwochen in vielen Ländern Europas. Er spielte Cembalo-Continuo
bei Wiener Akademie und Ars Antiqua Austria, u.a. bei Salzburger Festspielen.
Rundfunk- und TV-Aufnahmen beim NDR und SWR.
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